Skip to main content
Flagge Syriens zerlöchert im Wind flatternd
© Bild:123RF Bildagentur; Birgit Schmidt.

Das Ende der Ära „Sykes-Picot“

Vor mehr als hundert Jahren entstanden im Zuge des Sykes-Picot-Abkommens neue Nationalstaaten im Nahen Osten. Heute stehen sie vor stürmischen Zeiten. Das Ende der Assad-Dynastie in Syrien und die Schwächung der iranischen „Achse des Widerstands“ haben weitreichende Folgen. Ein Rück- und Ausblick.

Stefan Beig | Politik | 27. prosinec 2024

Der Sturz von Baschar al-Assad in Syrien bedeutet mehr als „nur“ das Ende einer 54-jährigen Herrscherdynastie. Er hat eine tektonische Plattenverschiebung ausgelöst, die mit dem Zerfall der Sowjetunion vergleichbar ist. Nicht absehbar sind zurzeit die langfristigen Folgen. Sie reichen über die Grenzen Syriens hinaus und betreffen die gesamte Levante und den Irak, also jene Staaten, die aus dem Sykes-Picot-Abkommen hervorgegangen sind. Kurz: Es entsteht ein neuer Nahe Osten. Mit dem Sturz des Assad-Regimes und der nachhaltigen Schwächung des Iran ist die von den Diplomaten François Georges-Picot und Mark Sykes geschaffene Ordnung zu Ende gegangen.

Als das Osmanische Reich in den Wirren des Ersten Weltkriegs die Kontrolle über den Nahen Osten verlor, einigten sich Sykes und Picot 1916 in einem Geheimabkommen über die Aufteilung des Reiches und die künftigen Einflusszonen der beiden Kolonialmächte Großbritannien und Frankreich. Die endgültige Aufteilung der Nationalstaaten erfolgte nach der Entdeckung von Erdöl in der Region Mosul kurz vor Kriegsende. Auf Kulturen und Traditionen nahmen die Kolonialmächte dabei keine Rücksicht. So entstanden die Nationalstaaten Syrien, Libanon, Irak, Jordanien und das britische Mandatsgebiet Palästina. Osmanische Provinzen mit völlig unterschiedlicher Geschichte wurden vereinigt, und die Vielzahl unterschiedlicher Stämme, Ethnien, religiöser und konfessioneller Gemeinschaften – darunter Sunniten, Schiiten, Christen, Kurden, Drusen, Alawiten – hatte zuvor unter den 400 Jahren osmanischer Herrschaft nie in selbstverwalteten Staaten gelebt.

Multiethnisches Syrien

Es folgten schwere Spannungen. Großbritannien und Frankreich gelang es nie, die neuen Nationalstaaten zu stabilisieren. Besonders viele Umstürze erlebte in der Folgezeit das multireligiöse und multiethnische Syrien. Zwischen 1949 und 1970 fanden nicht weniger als sieben Militärputsche statt. Erst mit mit dem letzten Putsch von 1970, der den damaligen Verteidigungsminister und ehemaligen Piloten Hafez al-Assad an die Macht brachte, ging diese Phase zu Ende.

Unbegrenzter Zugang zu allen Inhalten

Gratis Testabo für 4 Wochen
Ein Monatabo oder das
günstigere Jahresabo

Sie sind bereits Libratus-Abonnent?
Melden Sie sich hier an: