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Prager Kleinseite mit Nikolauskirche.
Prag im Frühling 2025: Kleinseite mit Nikolauskirche. © Libratus Magazin.

„Die EU steht vor dem Zerfall“

Tschechien gilt als Gewinner des EU-Beitritts und treuer Nato-Partner. Doch die Unzufriedenheit und Frustration steigt, die Entwicklung der EU wird zunehmend negativ gesehen. Und manche wünschen sich eine Neutralität wie Österreich.

Gudula Walterskirchen | Wirtschaft | 09. Mai 2025

„Wir haben den Eindruck, dass wir in der EU Bürger zweiter Klasse sind.“ Der Befund von Petr Drulák (52), Professor für Internationale Beziehungen und studierter Ökonom, mitten in der prachtvoll renovierten Altstadt von Prag ist überraschend. Dies deshalb, weil Tschechien sichtlich von der EU, der Reisefreiheit, den Investitionen und dem Tourismus stark profitiert zu haben scheint. Warum sind die Tschechen also enttäuscht?

Er nennt als ein Beispiel die Finanzkrise und die Eurozone: Tschechien gehört immer noch nicht dazu. Und in der Finanzkrise habe Griechenland seine Zugehörigkeit auch nichts genützt, man konnte nicht seine eigene Wirtschaftspolitik machen, sondern dies habe sich als Fluch erwiesen, glaubt Drulák.

Petr Drulak 2025 Libratus web

Professor Petr Drulák 2025. © Libratus Magazin.

Zu Beginn waren die Erwartungen groß, als Tschechien der EU beitrat. „Das Land war durch die kommunistische Herrschaft mit einer verfehlten Wirtschaftspolitik heruntergewirtschaftet, die Wirtschaft verfallen“, erklärt Drulák im Gespräch mit dem „Libratus Magazin“. Er selbst war ein Jugendlicher, als die kommunistische Herrschaft kampflos zusammenbrach und der Eiserne Vorhang fiel. Man scheiterte an der Ideologie. „Die sowjetische Herrschaft war verbunden mit dem ökonomischen Verfall.“ Die Erste tschechische Republik in der Zwischenkriegszeit werde idealisiert, man war demokratisch und relativ wohlhabend, aber nicht so reich wie man heute im Rückblick behaupte. Und nach 1990 und der Wende ging der wirtschaftliche Niedergang weiter.

Durch den EU-Beitritt Tschechiens dachte man, diese würde das Wachstum unterstützen. „Doch Tschechien profitiert nicht so sehr von den Investitionen im Land wie die ausländischen Unternehmen, wie jene aus Deutschland oder Österreich. Das ist unfair“, findet der Universitätsprofessor.

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