
Die „ewiggestrige“ Antiheimat?
Thematisch erschöpft sich die heimische Theater- und Literaturszene in einer sich wiederholenden Reinszenierung der Klassiker und Topoi der sogenannten Antiheimat-Literatur. Am Ende kommt dabei die Tendenz zum ständigen Klischee heraus. Man nähert sich der Wirklichkeit nicht an, sondern wird nur die andere Seite dessen, was man ständig zu bekämpfen behauptet.
Die österreichische Literatur nach dem Zweiten Weltkrieg wurde aufgrund ihrer Sprachkritik, ihres kritischen Umgangs mit dem Heimatbegriff und ihrer kompromisslosen Aufarbeitung und Thematisierung von Österreichs NS-Vergangenheit berühmt.
So hat sich literarisch wie auch dramatisch eine kritische Analyse der Enge der Dörfer, eine Ausleuchtung des Faschismus, eine Behandlung der Feigheit und der monströsen Wendehals-Attitüde ergeben, die heute als Anti-Heimat-Literatur bekannt geworden ist. Thomas Bernhard, Elfriede Jelinek, Josef Winkler, aber auch Kabarettisten wie Helmut Qualtinger und viele andere sind bedeutende Vertreter dieser Wut auf die nach 1945 zum Zwergstaat zusammengeschrumpften Alpenrepublik. Was dabei allerdings ebenso erstaunt wie einleuchtet: Die Anti-Heimat hat dennoch die Heimat im Namen und die wütende Beschäftigung mit dem Eigenen zeigt vor allem die Erfolgsgeschichte des österreichischen "Nationbuildings" ab der Ausrufung der Zweiten Republik Österreichs. Eigentlich geht die Herausbildung eines Österreich-Bewusstseins bereits auf den Ständestaat zurück, doch wird dieser Aspekt ebenso gerne unterschlagen wie die Tatsache, dass führende Vertreter der Sozialdemokratie und des Austromarxismus insbesondere nach dem Ersten Weltkrieg glühende Anschlussbefürworter an Deutschland waren – was aus heutiger Sicht paradox erscheint.

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