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Kompass auf buntem Hintergrund
© Bild:123RF Bildagentur; Lilit Amirkhanian.

Ein Kompass in Zeiten der Verwirrung

Der „Untergang des Abendlands“ wird laut Oswald Spengler Folge von maßlosem Skeptizismus sein, und nach den Evangelien wird vor den letzten Tagen große Verwirrung herrschen – das gibt heute zwar wenig Anlass zu Optimismus, trotzdem sei hier frei nach Martin Luther ein gedankliches Apfelbäumchen gepflanzt.

Michael Breisky | Kommentar | 02. Mai 2025

Die wesentliche Ursache für die Düsternis unserer Tage beschreibt schon 2017 der britische Soziologe Colin Crouch: Es ist der aus allen Bereichen des politischen Spektrums kommende Widerstand gegen die „kompromisslose Aufklärung“ der Globalisierung, vor allem durch den Nationalismus. Wie schwierig das Regieren geworden ist, sieht Crouch bei den Bündnissen zwischen Neo-Liberalen und Konservativen: Letztere müssen der Versuchung widerstehen, Vorteile aus fremdenfeindlichem Enthusiasmus zu ziehen – oder die Neoliberalen haben Fremdenfeindlichkeit zu akzeptieren.

In der Sozialdemokratie hingegen wackelt die traditionelle nationale Grundlage ihres Universalismus sowie die Verteidigung der (männlichen?) Gemeinschaft der Arbeiterklasse. Hinter diesen Spaltungen sieht Crouch den nach wie vor lebendigen Zwiespalt zwischen Ancien Regime und Aufklärung.

Gegensatz Glaube und Wissen

 Mit diesem letzten Punkt spricht Crouch offenbar auch den ähnlichen Gegensatz zwischen Glauben und Wissen, Idee und Wirklichkeit, Bewahrung und Veränderung an; er ist Voraussetzung eines produktiven Spannungsverhältnisses zu der – womöglich sogar genetisch vererbten – Binarität im menschlichen Denken. Die großen politischen Strömungen der letzten 300 Jahre haben sich ja immer wieder auf die Aufklärung berufen: Nationalismus, Demokratie, Freihandel und Imperialismus; dann nach der Zäsur von Faschismus und Weltkriegen die Demokratie wiederbelebt und ergänzt um materielles Wachstum, Globalisierung, islamische Migration, Ökologisierung und Abbau der westlichen Führungsrolle.

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