
Europa im Übergang
Vom Zivilisationsversprechen zur strategischen Selbstbehauptung. Warum die geopolitische und kulturelle Erschütterung Europas nicht das Ende, sondern den Beginn einer neuen Verantwortungskultur markieren muss. Europas Erschütterung ist kein Unfall, sondern Folge einer strategischen Unterlassung.
Europa steht an einem Kipppunkt. Doch der gegenwärtige Zustand ist nicht das Resultat äußerer Überwältigung – sondern einer inneren Preisgabe. Der Westen, einst vom Versprechen auf Fortschritt, Frieden und Humanität getragen, hat dieses Versprechen nicht gebrochen – er hat es entwertet, indem er es entpolitisiert hat.
Während sich weltweit neue Machtmodelle formieren, verliert Europa seine strategische Sprache – und mit ihr seine Fähigkeit zur Orientierung. Das Ergebnis: Unsicherheit im Inneren, Unglaubwürdigkeit nach außen.
Der Mythos der Post-Geschichte – Europas selbst gewählte Blindheit
Historischer Trugschluss
Die europäische Nachkriegsordnung gründete auf einem historischen Trugschluss: der Vorstellung, Geschichte könne überwunden werden. Der Glaube, wirtschaftliche Verflechtung würde geopolitische Verantwortung ersetzen, war bequem – und letztlich gefährlich. Er führte zur Externalisierung von Souveränität, zur Übertragung sicherheitspolitischer Verantwortung auf Dritte – und zur Illusion, Macht lasse sich durch Moral zähmen.
Während Russland längst strategische Rückgriffe auf imperiale Räume vollzieht, China ein globales Infrastrukturimperium aufbaut und selbst kleinere Akteure wie Katar oder die Türkei aktiv regionale Ordnungen mitgestalten, hat Europa auf Konsens, Verfahren und Narrative gesetzt – oft zum Preis strategischer Wirkungslosigkeit.

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