Horizontales Korrektiv zur vertikalen Machtfülle
Gesellschaften neigen zu hierarchischen Pyramiden – je größer sie sind desto eher. Europa bildet eine Ausnahme, es ist horizontal organisiert. Bei all den aktuellen Problemen sollte auf diese historische Errungenschaft nicht vergessen werden.
Die großen Reiche der Menschheitsgeschichte folgten dem gleichen Muster: Mit zunehmender Größe und erster Komplexität zwängten sich Gesellschaften in hierarchische Pyramiden. An der Spitze stand ein Herrscher mit unbeschränkter Befehlsgewalt, darunter Stufen um Stufen von Beamten, Priestern und Soldaten. Vertikal organisiert, von oben nach unten funktionierten Ägypten, China, Indien oder die alten Reiche das Nahen Ostens und Amerikas – sagen Historiker, während Politologen heute auch Russland und in Ansätzen auch Trumps Amerika dazuzählen.
In Stammesgesellschaften war das noch anders. Dort hatten Häuptlinge keine absolute Macht; sie mussten Rücksicht auf Älteste und Clans nehmen, Konsens spielte eine große Rolle. Doch sobald Reiche entstanden, wurde die Machtpyramide zum Standard.
Europa ist hier die große Ausnahme. Zwar hatte auch dieser Kontinent Monarchien und Feudalherrschaften, doch nach Anfängen in der Antike Athens und im frühen Rom wurde das vertikale Muster – christlich inspiriert – seit dem späten Mittelalter immer häufiger durchbrochen: Städte erkämpften Selbstverwaltung, Ständevertretungen stellten sich Königen entgegen, die Trennung von geistlicher und weltlicher Macht schuf Freiräume – es entstand einzigartig ein horizontales Korrektiv zur vertikalen Machtfülle.
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