
Ist Geschlechtsumwandlung die Lösung?
Die Debatte um Transition bei Kindern und Jugendlichen hat nun auch Österreich erreicht. Ein Gesetzesentwurf und ein Passus im Regierungsprogramm will Elternrechte aushebeln und psychologische Beratung verbieten. Dabei geht international der Trend weg von diesen schwerwiegenden und belastenden Eingriffen.
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Es ist ein Gesetzesentwurf der Grünen, der derzeit die Runde macht und für Aufregung sorgt und viel Kritik erntet.
Dieser sieht unter anderem vor, dass Konversionsmaßnahmen an Minderjährigen unzulässig sind. Was auf den ersten Blick nach einem Schutz von Kindern vor womöglich irreversiblen Operationen und Behandlungen klingt, kann auch anders ausgelegt werden. „Das könnte auch bedeuten, dass jede Beratung dann untersagt ist“, meint Johannes Huber, Endokrinologe und Hormonspezialist, der bereits 1999 die erste Transgender-Ambulanz am Wiener Universitätsklinikum begründet hat, im Gespräch mit „Libratus“.
Ärzte machen sich strafbar
Diese Ansicht teilte jüngst auch die Wiener Psychiaterin Bettina Reiter im Interview mit ServusTV. Nach diesem Entwurf würden sich Ärzte, die dem Wunsch von Minderjährigen nach Geschlechtsumwandlung nicht nachkommen, strafbar machen. Und es würden darüber hinaus auch die Eltern kriminalisiert, die ihre eigenen Kinder von einer Geschlechtsumwandlung abhalten wollen.
Psychologen und Psychiater würden ebenfalls ausgeschaltet, denn es heißt in dem Entwurf: „Sämtliche sexuellen Orientierungen (…) sowie Transidentität und Nicht-Binarität sind (…) keine psychischen Störungen. (..) Es gibt keine objektiven Tests, die von außen die sexuelle Orientierung oder Geschlechtsidentität einer Person vorhersehen oder bestimmen können.“
Dem widerspricht Wissenschaftler Huber vehement. „Ein Drittel aller Gene sind geschlechtsspezifisch unterschiedlich. Frauen haben auch 1000 Gene mehr als Männer. Das sind die Vorgaben der Natur.“ Es gebe natürlich chromosomale Zwischenstufen, wie etwa bei der algerischen Boxerin, aber dies seien Ausnahmen. Die erwähnte Imane Khelif, die im Boxen für Frauen bei der letzten Olympiade die Goldmedaille errang und gegen die die weiblichen Kämpferinnen offensichtlich chancenlos waren, wurde nach umfangreichen medizinischen Tests nun zu einem Mann erklärt. Es gibt sie also doch, die objektiven Tests.
Bisher Psychologen Pflicht
Die bisherige Gesetzeslage sieht übrigens vor einer medizinischen Maßnahme zur Geschlechtsumwandlung eine umfangreiche Diagnose von klinischen Psychologen oder Psychiater vor: „Vor Hormoneinnahme bedarf es zweier Stellungnahmen (mit einem zusammenfassenden Konsensbeschluss) der vorher genannten Berufsgruppen sowie eine uro-/gynäkologische Untersuchung und ein Risikoscreening für medizinische Kontraindikationen. Vor operativen Eingriffen werden erneut zwei Stellungnahmen (mit zusammenfassendem Konsensbeschluss) benötigt. Oft lassen sich bereits vorliegende Stellungnahmen bei den ausstellenden Personen erneuern/ aktualisieren.“ In diesen Fällen übernimmt dann die Krankenkasse die Behandlung.
Das will man offenbar nun ändern. Im Regierungsprogramm findet sich auf Seite 108 ein Passus, der vieles offenlässt: So sollen Konversionstherapien verboten werden und: „Einseitige pseudowissenschaftliche Umerziehungen", die auf die Geschlechtsinkongruenz abzielen, werden untersagt. Doch was ist damit gemeint? Und die Gabe von sogenannten „Pubertätsblockern“ soll strenger gehandhabt werden. Ebenso sollen Langzeitstudien erfolgen.
Eltern keine Mitsprache
Beim Gesetzesentwurf und im Regierungsprogramm fällt auf, dass die Eltern als Erziehungsberechtigte ihrer minderjährigen Kinder überhaupt nicht vorkommen, ja sogar kriminalisiert werden, wenn sie nicht mitspielen.
Stattdessen wird im Regierungsprogramm nur den „Selbstvertretungsorganisationen“ eine Mitsprache zugestanden. Die „VIMÖ“ ist der Verein intergeschlechtlicher Menschen in Österreich und Teil von „Intersex“. Hauptaufgaben sind laut Eigendefinition politische Vertretung, Sensibilisierung und Selbsthilfe, sowie Beratung. Sie unterstützt „LGBTIQAA*“-Forderungen, ist in der Queer-Szene vernetzt und bietet auch Schul-Workshops an. Ob ein Selbsthilfe-Verein die Diagnose klinischer Psychologen ersetzen kann, ist fraglich.
Und was „pseudowissenschaftliche Umerziehung“ sein soll, ist ebenfalls nicht klar. Im Gegenteil wird die Beteiligung der Wissenschaft zurückgedrängt: Obwohl also die Wissenschaft eine größere Rolle spielen soll, wird die Ambulanz der MedUni Wien „personell ausgehungert“, wie Johannes Huber formuliert. „Dort hätte man das fachlich geschulte und erfahrene Personal.“ Der Andrang von Patienten ist groß. Im Gegenzug hat nun die Stadt Wien eine eigene Abteilung in der Klinik Favoriten eingerichtet, eine Spezialambulanz Transgender. Warum man hier eine Parallelstruktur aufbaut und die AKH-Ambulanz weniger Mittel erhält, ist unklar.
Die dahinter liegende Frage, ob eine Geschlechtsumwandlung die Probleme der betroffenen Kinder und Jugendlichen überhaupt lösen kann, wird somit immer mehr zurückgedrängt. Stattdessen wird die „Selbstbestimmung“ behauptet, und das von jungen Menschen, die die Folgen derartiger Eingriffe gar nicht überblicken können.
Natürlich müsse man den Betroffenen helfen, betont Huber. Aber: „Eine Geschlechtsumwandlung ist kein Sonntagsspaziergang“, meint der Hormonspezialist. So etwa ist nach einem Eingriff eine lebenslangen, hochdosierte Hormoneinnahme notwendig. „Und noch dazu ein gegengeschlechtliches Hormon.“ Das sei ein massiver Eingriff, der auch gesundheitliche Auswirkungen hat.
Und es sei nicht davon auszugehen, ob damit die Probleme der Patienten überhaupt gelöst oder verbessert werden können, oder ob sie noch schlimmer werden. Dies bestätigen etliche internationale Studien. Viele Betroffene seien nachher unglücklich. „Mehr als 50 Prozent der Betroffenen, die ihr Geschlecht umwandeln lassen, wollen dies später wieder rückgängig machen“, zitiert Huber die Studien.
In den USA gibt es schon eine Bewegung der „Detransitioner“, also jene, die ihre Geschlechtsumwandlung bereuen und andere vor diesem Schritt warnen. Diese stoßen oft auf kein Verständnis, sondern werden angefeindet und diskriminiert. Und auch in Europa mehren sich die Fälle.
Hubers langjährigen Erfahrung nach sind es zu 80 Prozent Mädchen, die ein Mann werden wollen. Sie möchten im Zuge ihrer Pubertät einen Bart und keine Brüste haben. Dabei stelle sich die Frage, ob sie das wirklich unbeeinflusst wollen, oder ob Influencer oder Probleme mit Gleichaltrigen und Eltern dahinterstecken. „Viele Probleme kann man mit einer Geschlechtsumwandlung nicht lösen. Daher ist eine psychologische Beratung so wichtig“, betont Huber.
Klinik in London geschlossen
Eigene Kliniken, die sich nur auf die medizinische Behandlung fokussieren, sieht er kritisch. So etwa wurde in England die einzige Klinik für Geschlechtsumwandlung „Tavistock“ in London 2023 geschlossen. Die Begründung: Kindern und Jugendlichen wurde dort Druck gemacht, ihr Geschlecht zu ändern und Pubertätsblocker wurden ohne psychologische Abklärung verabreicht. Die britische Gesundheitsbehörde NHS hatte festgestellt, dass ein erheblicher Anteil der jugendlichen Patienten unter psychischen Problemen oder neurologischen Entwicklungsstörungen leiden oder in einem schwierigen Umfeld leben. Deshalb solle primär eine Psychotherapie durchgeführt werden.
Im deutschsprachigen Raum, eben auch in Österreichs Politik, werden diese Erkenntnisse und Erfahrungen offenkundig ignoriert. Man will nun, abgesehen vom sorgfältigeren Umgang mit Pubertätsblockern, den gegenteiligen Weg wählen. Folgt man den Erfahrungen anderer Länder, zum Schaden der Betroffenen und deren Familien.♦
Zum Weiterlesen:
Gesetzesentwurf "Verbot von Konversionsmaßnahmen"
Stellungnahmen zu diesem Entwurf können online hier eingesehen bzw. abgegeben werden: https://www.parlament.gv.at/gegenstand/XXVIII/A/295?selectedStage=101
Stellungnahmen zur Leitlinie zur Geschlechtsinkongruenz bei Jugendlichen.
Mehr dazu im monatlichen Talk "Libratus. onair" am Samstag, 28. Juni um 16 Uhr auf RadioKlassik www.radioklassik.at