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Verschleiertes Schulkind Indonesien
Verschleiertes Schulkind in Indonesien. © Unsplash; Aceh Umar ben.

Kopftuchverbot als Akt der Befreiung

Das Kopftuchverbot für Mädchen ist ein notwendiges und wichtiges Zeichen. Unsere Gesellschaft kann nicht hinnehmen, dass Mädchen zu Sexualobjekten degradiert werden, deren Verfügbarkeit oder Schutz an deren Verhüllung festgemacht wird.

Maria Schwaz | Kommentar | 24. Oktober 2025

Kürzlich rief mich ein befreundeter Lehrer an und berichtete mir folgende Begebenheit: Er unterrichtet in einer ersten Klasse Mittelschule und war überrascht, eines Morgens plötzlich eine neue Schülerin zu sehen. Erst beim zweiten Mal hinsehen erkannte er das Mädchen, sie war seine Schülerin, doch trug sie bisher einen Schleier. Das Mädchen wirkte fröhlich, hübsch, mit einer schönen Lockenpracht und reagierte auf den erstaunten Blick des Lehrers: „Jetzt kommt ja bald das Kopftuchverbot, ich dachte mir, ich nehme es jetzt schon ab.“
Mit dieser Begebenheit ist eigentlich alles gesagt. Genau das ist der Grund und die Erklärung für das sogenannte Kopftuchverbot im neuen Gesetzesentwurf. Dort heißt es unter43a. (1): „Um die bestmögliche Entwicklung und Entfaltung aller Schülerinnen und Schüler im Sinne des Kindeswohls sicherzustellen und insbesondere die Selbstbestimmung, Gleichberechtigung und Sichtbarkeit von Mädchen zu fördern …“

Islamische Lehrtexte studieren

Genau darum geht es! Die österreichische Politik und die Judikatur sind gut beraten, sich in diesem Zusammenhang mit den islamischen Lehrtexten zu beschäftigen. Diese liefern die entscheidenden Argumente, um das Gesetz durchzusetzen und „die Gleichberechtigung und Sichtbarkeit von Mädchen zu fördern“, und das österreichische Gesetz meint damit alle Mädchen.
In einem gegenwärtigen islamischen Dokument der ISESCO, einer Unterorganisation der Organisation Islamischer Zusammenarbeit (OIC, die aus 57 islamischen Staaten besteht), in dem es um „Kulturelles Handeln außerhalb der islamischen Welt“ geht, wird bereits im Vorwort aufgerufen, sich auch „in der zweiten, dritten und sogar vierten Generation der islamischen Gemeinschaften, die sich außerhalb der islamischen Welt niedergelassen haben, gegen kulturelle Assimilation und den Verlust ihrer islamischen Identität immun zu werden.“

Gegen Assimilation

So gesehen ist das intensive Engagement gegen das Kopftuchverbot aus Sicht des islamischen Selbstverständnisses verständlich. Der Islam soll sich nicht anpassen oder gar assimilieren, sondern die westliche Gesellschaft soll sich dem Islam unterwerfen. Der Islam soll sichtbar und dominant sein. Jede Aktion der mehrheitlich nicht-islamischen Gastgesellschaft, die islamische Lebensweise einzuschränken, wird als Blasphemie (heute Islamophobie) verurteilt und als Diskriminierung aller Muslime angeprangert. So wie es seit dem 7. Jahrhundert praktiziert wird! Bis zum heutigen Tage ist dies eine sehr effektive Methode, den Widerstand gegen eine islamische Dominanz zu brechen.
Das Kopftuch, also die Verschleierung der Frau, ist seit der Entstehung des Islam im 7. Jahrhundert ein Unterscheidungssymbol zwischen muslimischen und nicht-muslimischen Frauen. Mohammeds Anhänger hatten begonnen, Handelskarawanen zu überfallen. Die Frauen der überfallenen mekkanischen und jüdischen Stämme galten als Kriegsbeute und wurden durch eine Sure des Koran zur sexuellen Verfügbarkeit für islamische Krieger freigegeben. Mohammed hatte bereits mehrere Ehefrauen.

Unterscheidung von Sklavinnen

Gemäß den islamischen Überlieferungen wurden Mohammeds Frauen von seinen Anhängern belästigt. Es kam der Vorschlag, seine Frauen zu kennzeichnen, um sie von den Sklavinnen und den Frauen, die Kriegsbeute waren, zu unterscheiden.
So wurde die Sure 33, 59 von Allah herabgesendet: „O Prophet, sprich zu deinen Gattinnen und deinen Töchtern und den Weibern der Gläubigen, dass sie sich in ihren Überwurf verhüllen. So werden sie eher erkannt und werden nicht verletzt.“
Diese vor 1400 Jahren, in einer archaischen Gesellschaft eingeführte Schutzfunktion hat sich nicht nur erhalten, sondern greift im 21. Jahrhundert in modernen, westlichen und sich emanzipiert und selbstbestimmt wähnenden Gesellschaften immer mehr um sich. Auch in Österreich, und hier speziell in Wien, wo teilweise mehrheitlich muslimische Kinder die Schulen besuchen. In diesen Schulkassen verschleiern sich Mädchen, um nicht Belästigungen von Mitschülern oder auf der Straße ausgesetzt zu sein. Eine Gruppe islamischer Mädchen, die plötzlich alle verschleiert in die Schule kamen, erklärte dem verdutzten Lehrer: „Unsere Väter haben uns befohlen, uns zu verschleiern, damit wir geschützt sind und nicht sexuell belästigt werden.“
Was bedeutet das für unsere mehrheitlich nicht-islamische Gesellschaft? Was bedeutet es für die Gleichberechtigung und Selbstbestimmung von Mädchen und Frauen? Was bedeutet es für die Sicherheit unserer Mädchen, die völlig unvorbereitet dieser neuen Situation ausgesetzt sind?


Wie wird ein 12-jähriges nicht-islamisches oder unverschleiertes Mädchen von minderjährigen Buschen mit islamisch kulturellem Hintergrund betrachtet? Fällt sie auch in die Kategorie „Kriegsbeute“, wie im 7. Jahrhundert? Warum haben mitunter Frauen einen Schleier in der Handtasche, wenn sie am Abend in bestimmten Wiener Bezirken, in denen viele Muslime wohnen, nach Hause gehen? Und was bedeutet es auch für die muslimischen Mädchen und Frauen, die in einem freien westlichen Land nicht frei und selbstbestimmt leben können? Es bedeutet nichts weniger, als dass der Staat und die Gesellschaft wichtige Grundrechte und Werte opfern – und das nur, um nicht dem lächerlichen und sinnentleerten Totschlagargument der „Islamophobie“ oder des „antimuslimischen Rassismus“ ausgesetzt zu sein.

 1968 Kantonsbilbliothek Appenzell Unabhängigkeitsfest Dscheschen Fest Kabul webUnabhängigkeitsfest Dscheschen in Kabul 1968. © CommonsWikimedia, Kantonsbilbliothek Appenzell.

Es ist übrigens selbst in islamischen Ländern nicht üblich und schon gar nicht vorgeschrieben, dass sich Mädchen in diesem Alter verschleiern. Damit wäre Österreich rückschrittlicher als die Türkei oder Saudi-Arabien. Die Politik hat daher richtig entschieden, gegen eine Spaltung, zumindest der minderjährigen Mädchen, in eine islamische und eine nicht-Islamische Gruppe vorzugehen. Mit dem Verbot der Verschleierung für Mädchen verliert der Islam ein wichtiges politisches Zeichen. Seine Sichtbarkeit wird eingeschränkt. Und so manch ein Mädchen wird somit die Chance haben, gleichberechtigt und selbstbestimmt aus Sicht des österreichischen Gesetzes zumindest bis zum Alter von 14 Jahren aufzuwachsen.

Durchsetzung von Grundwerten

Es ist ein erster wichtiger Schritt, um allen Mädchen die gleichen Chancen zu geben und ein starkes Zeichen zu setzen und den liberalen Rechtsstaat mit seinen Grundwerten durchzusetzen.
Das Argument der „Religionsfreiheit“, auf das sich die Bannerträger der Verschleierung gerne berufen, kann leicht entkräftet werden: Es gibt das islamische Prinzip der „Darua“ (arabisch: „Notwendigkeit, Dringlichkeit”). Es befreit Muslime von islamischen Pflichten, wenn die Situation sie dazu zwingt und eine Anpassung notwendig macht. Muslime können also unter Bedingungen leben, die den Anforderungen des Islam widersprechen, ohne eine Sünde zu begehen, wenn die äußeren Umstände dies erfordern.

Die Spaltung in sexuell frei verfügbare Ungläubige oder Unverschleierte und geschützte verschleierte islamische Mädchen hat nichts mit Selbstbestimmung und Gleichberechtigung zu tun. Ganz im Gegenteil. Wir sehen ja durch jüngste Vorfälle, dass hier sogar jegliches Unrechtsbewusstsein von Tätern fehlt, umso mehr muss man hier dagegenhalten. „Religionsfreiheit“ sollte dafür jedenfalls nicht missbraucht werden.♦

Maria Schwaz

Maria Schwaz ist Bildungsdirektorin des Zentrums, sie leitet die internationale Bildungsarbeit und gibt Vorträge dazu im In- und Ausland.
Das CSPII, Zentrum für das Studium des Politischen Islam International, ist eine Forschungs- und Bildungsorganisation. Es widmet sich dem Verständnis der islamischen Texte und deren Auswirkung auf nicht-islamische Gesellschaften und bietet Seminare und Schulungen zu diesem Thema an.