Musikalischer Kulturkampf in Italien
Es tobt ein Aufstand gegen die Dirigentin Beatrice Venezi, weil sie die Gramsci-Kulturhegemonie der Linken in Italien bedroht.
Wäre man am 26. September ins Teatro La Fenice in Venedig gegangen, hätte man sich 150 Jahre zurückversetzt gefühlt, in die Zeit der Risorgimento-Aufstände. Ein Schneeschauer aus Flugblättern fiel von den Galerien, begleitet von Rufen und Rufen, erinnerte an die berühmte Szene in Viscontis Film „Senso“, als italienische Revolutionäre Flugblätter abwarfen, die zur Befreiung Italiens von der österreichischen Besatzung aufriefen. Eine Demonstration für Gaza? Für das Klima? Nein, der Aufstand richtet sich gegen eine junge Frau, Beatrice Venezi, die kürzlich zur Musikdirektorin des Teatro La Fenice in Venedig ernannt wurde.
Seit dieser Ernennung läuft eine unerbittliche Medienkampagne gegen die junge attraktive Frau, deren Lebenslauf mit gnadenloser Lupe seziert und analysiert wird. Die italienische Öffentlichkeit erlebt eine Art öffentliche Steinigung der Musikerin, die an den Pranger gestellt, abfälligen Kommentaren und beleidigenden Tiraden ausgesetzt ist. Sie sei inkompetent, könne nicht dirigieren, gestikuliere und fuchtle wild mit den Händen – das sind noch die freundlichsten Kommentare.
Hymnisch gefeiert
Die von den Gewerkschaften eingepeitschten Orchestermitglieder protestieren lautstark gegen die Nominierung. Aber was um alles in der Welt hat die junge Musikerin getan, um eine solche Behandlung zu verdienen? Setzte sie doch der „Corriere della Sera“ 2017 auf seine Liste der 50 kreativsten Frauen des Jahres. Derselbe „Corriere della Sera“ kommentierte später, im März 2021, bedauernd: „Im Ausland wird sie wie ein Star verehrt, und die Theater reißen sich um sie. In Italien ist leider alles komplizierter.“
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