Selbstfindung mittels Hormon-Bomben?
Transition ist voll im Trend. Doch was ist damit gemeint? Was ist die Ursache dafür, dass immer mehr Kinder und Jugendliche sich im falschen Geschlecht wähnen? Warum werden immer öfter Hormone und Chirurgie empfohlen? Und wer trägt die Verantwortung für die Folgen?
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Es gibt das Gefühl, im falschen Körper geboren worden zu sein. Man will diesen Menschen, darunter immer mehr Kinder und Jugendliche, dabei helfen, zu sich zu finden. Man will ihnen die Möglichkeit geben, frei zu wählen, welchem Geschlecht sie sich letztlich zugehörig fühlen. Man schiebt die Pubertät auf, bis sie in ein Alter kommen, in dem sie frei wählen können. All das klingt human und gut, denn wer will nicht frei und selbstbestimmt sein?
Das deutsche Selbstbestimmungs-Gesetz schlägt hohe Wellen. Durch dieses kann man jedes Jahr bei der Behörde sein Geschlecht ändern und dies in die amtlichen Dokumente eintragen lassen. Die Auswahl an „Geschlechtern“ ist dabei groß. Was absurd klingt, gibt es schon längst in den USA und auch in anderen europäischen Ländern. Und es besteht immer häufiger der Wunsch, das biologische an das „gefühlte“ Geschlecht angleichen zu lassen.
Doch gibt es aus der Fachwelt auch viele Kritiker dieses neuen Transitions-Trends. „Eine Geschlechtsänderung in zehn Minuten am Standesamt – das kann nicht gut gehen“, meinte etwa der Wiener Hormonspezialist Johannes Huber bei einem Vortrag Anfang November in Stuttgart. Dieser hat selbst gemeinsam mit Kollegen vor mehr als 20 Jahren eine Transgender-Ambulanz in Wien gegründet. Er sei also sehr dafür, Menschen zu helfen, die Probleme mit ihrer Geschlechtsidentität haben. „Dass man aber in die Kindergärten geht und in die Schulen, und dort Werbung macht, das ist ein großes Problem“. Es sei schlicht unverantwortlich.
Non-binär im Trend
Entsprechend diesem Trend geben auch immer mehr Kinder und Jugendliche an, sich einem anderen als dem angeborenen Geschlecht zugehörig zu fühlen. „Trans“, „non-binär“, „inter“ und so weiter sind die neuen Kategorien. In den USA gibt es eine Vielzahl von Kliniken, in denen sich Jugendliche, ja sogar Kinder operativ und hormonell in ein anderes Geschlecht umwandeln lassen können. „Transition“ heißt der Fachbegriff, der auch die US-Wahlen mitentschieden hat.
Und auch in Europa nehmen derartige Eingriffe stark zu. Oft wird die Pubertät mittels Hormonen hinausgeschoben, bis das Kind selbst entscheiden könne, ob es eine Transition vornehmen möchte, so das Argument. Pubertätsblocker sind groß in Mode, es handelt sich dabei um eine hochdosierte Hormongabe über einen längeren Zeitraum.
Die Pubertätsblocker bergen hohe Risiken, wie ein stark erhöhtes Krebsrisiko. So wird Burschen bzw. jungen Männern Cyprotereon Acetat gegeben, um das männliche Hormon zu unterdrücken. Jedoch benötigt dieses das männliche Gehirn in geringem Maß. Fehlt es, so steigt das Risiko von Tumoren im Gehirn in hohem Ausmaß, so eine Studie, die im „British Medical Journal“ publiziert wurde. Das Risiko besteht bereits bei niedrigen Dosen (2 mg), auch für Frauen, wie etwa in der Pille. Dies führte bereits 2020 zu einer Warnung der deutschen Arzneimittelbehörde. Bei Geschlechtsumwandlungen werden jedoch Mengen von 50 mg gegeben, also ein Vielfaches. „Hier kommt kein Warnhinweis?“, fragt sich Hormonspezialist Johannes Huber. Ein stark erhöhtes Krebsrisiko besteht auch bei anderen Hormonen, die bei Transitionen verabreicht werden. So etwa steigt das Brustkrebsrisiko bei transitierten Männern, denen weibliche Hormone verabreicht wurden, um das 46fache!
Studien zu diesen Risiken und Gefahren wurden in renommierten Fachzeitschriften publiziert Dennoch werden die betreffenden Substanzen weiterhin bei Geschlechtsumwandlungen verwendet, und zwar in hohen Dosierungen und über einen langen Zeitraum.
„Damit greift man auch massiv in die Gehirnentwicklung ein“, so Huber. Denn diese sei erst mit dem Ende der Pubertät abgeschlossen. In etlichen europäischen Ländern sind Pubertätsblocker mittlerweile verboten oder nur noch im Rahmen medizinischer Studien erlaubt.
Pubertätsblocker verboten
In Finnland etwa ist vorgeschrieben, dass bei eine Geschlechtsdystrophie zuerst eine psychiatrische Behandlung bzw. eine Psychotherapie zu erfolgen hat. In Schweden dürfen seit 2021 keine Pubertätsblocker mehr an Jugendliche verabreicht werden.
Die deutschsprachigen Länder halten entgegen den anderen Ländern daran fest. Zur Behandlung der „Geschlechtsdysphorie“ gibt es eine neue Behandlungsrichtlinie, die von 27 Fachgesellschaften des DACH-Raumes erstellt wurde, die empfiehlt, nach dem sogenannten „Dutch-Protokoll“ zu behandeln.
Dabei wird eine – irreversible – medikamentöse Therapie von Kindern bei Eintritt der Pubertät mit etwa 13 Jahren empfohlen. Bewusst wolle man einen weniger restriktiven Weg gehen als andere Länder.
Kritiker nicht gehört
Kritische Stimmen wurden bei Erstellung der Leitlinien nicht gehört. Wie jene von Johannes Huber. Sehr kritisch zur gängigen Praxis der Pubertätsblockade und Geschlechtsumwandlung äußert sich auch der Münchner Kinder- und Jugendpsychiater, Professor an der Ludwig-Maximilian-Universität und Top-Experte auf diesem Gebiet, Alexander Korte. Er hat dazu ein wissenschaftlich fundiertes Buch geschrieben, in das auch die klinische Praxis eingeflossen ist: „Hinter dem Regenbogen“. Er ortet im Trans-Trend eine Art Modeerscheinung wie bei der Magersucht.
Die zentrale Frage ist für ihn, ob nicht etwa ein anderes Problem im Hintergrund die eigentliche Ursache für den Wunsch nach Geschlechtsumwandlung ist? Also, ob die Transition überhaupt das Problem löst, oder diese gar ein zusätzliches schafft?
Soziale Ansteckung
Psychiater Korte meint, ähnlich wie bei der Magersucht würden psychische Konflikte auf den Körper projiziert, eine mangelnde Akzeptanz der eigenen Person bis hin zum Selbsthass. Im Gegensatz zur Anorexie biete jedoch die Eigendefinition, „trans“ oder „non-binär“ zu sein, einen entscheidenden Vorteil, so Korte: Trans-Sein sei aktuell gesellschaftlich und politisch extrem legitimiert, ja würde sogar zu einem Menschenrecht hochstilisiert. Es gebe eine beispiellose politische Kampagne in dieser Hinsicht. Verstärkt würde der Trend noch durch Online-Communities und soziale Netzwerke. Dies führe zur fatalen Wirkung der „sozialen Ansteckung“, ähnlich dem „Werther-Effekt“, der eine Reihe von Suiziden wegen J.W. von Goethes gleichnamigen Roman beschreibt.
Zahlen scheinen dies zu untermauern: Laut einer aktuellen Studie sind in Deutschland innerhalb von nur zehn Jahren die Diagnose „Störung der Geschlechteridentität“ um das Achtfache gestiegen.
Getriggerte Massenhysterie
Korte kritisiert in diesem Zusammenhang die „Anfälligkeit der Medizin und Psychologie für das Phänomen einer medial getriggerten Massenhysterie, infolge derer die Begeisterung für scheinbar neue Phänomene zu neuen und irreführenden Diagnosen führt“. Ähnliches sei auch bei der in den Neunziger Jahren häufig diagnostizierten „multiplen Persönlichkeitsstörung“ zu beobachten gewesen, sowie zur Zeit Sigmund Freuds die Modekrankheit „Hysterie“.
Nach Korte und anderen Medizinern und Psychiatern gibt es eine Reihe von Gründen, die hinter dem Wunsch nach juristischer oder medizinischer Geschlechtsumwandlung stehen. Neben der sozialen Ansteckung kann dies eine traumatische Erfahrung sein, wie etwa (sexuelle) Gewalt, Pornografie oder zu früher und als negativ erlebter Geschlechtsverkehr.
Psychische Störungen häufig
Ein wesentlicher Faktor ist, dass bei jenen, die einen Wunsch nach Transition äußern, in einer aktuellen Studie ein hoher Anteil eine „Comorbidität“ ausweist: Bei 67 Prozent der Burschen und 78 Prozent der Mädchen wurde noch anderes diagnostiziert: Am häufigsten Angststörungen, depressive Störungen, Persönlichkeitsstörungen, posttraumatische Belastungsstörungen, Borderline oder Aufmerksamkeitsdefizitstörungen. Alles Erscheinungen, die durch äußere Einflüsse verursacht wurden. Die Betreffenden würden nun hoffen, dass durch eine Geschlechtsumwandlung auch diese psychischen Probleme verschwinden würden. Dass also durch die Gabe von hohen Dosen von Hormonen, Verhinderung der Geschlechtsreife, Entfernung der Brüste oder anderer Interventionen die (sexuelle) Identität gewechselt würde.
Laut Johannes Huber sei dies aber so nicht richtig. Auch ein positiver Einfluss von Pubertätsblockern auf die Suizidrate sei nicht nachzuweisen.
Bei Mädchen könne es nach dem Befund Kortes auch sein, dass sie Probleme hätten mit dem vorgelebten Lebensentwurf als Frau – chronisch gestresst, überfordert, erschöpft, alleingelassen mit der Verantwortung – der nicht als attraktiv empfunden wird. Sie fühlen sich dadurch schlicht überfordert und wollen diesem ausweichen. Auch Schönheits- und Schlankheitsideale, die unrealistisch sind, können eine Ursache sein. Es geht bei alldem um die geschlechtsbezogene Identität, die Probleme macht, und als deren Lösung eine Geschlechtsumwandlung betrachtet wird.
Wirklich die Lösung?
Doch gelingt dies? Ist die Transition wirklich die Lösung?
Laut aktueller Studie ist dem nur zu einem geringen Teil der Fall: Fünf Jahre nach der Geschlechtsänderung wiesen nur noch 27 Prozent der Mädchen und die Hälfte der Burschen davon noch immer dieselbe Diagnose auf. Bei allen anderen wurde die Diagnose Geschlechtsdystrophie revidiert. Sie bereuten die Transition und wollten sie wieder rückgängig machen.
Eine aktuelle britische Studie kommt zu dem Schluss, dass bei Analyse aller Studien und Reports zur Geschlechtsumwandlung sich deren insgesamt schlechte Qualität zeigte. Dies bedeute, dass es keine wissenschaftlich fundierte Evidenz gäbe für eine Entscheidung zur Geschlechtsumwandlung. Das heißt: Es gibt keinen Nachweis für deren Nutzen. Dasselbe gelte bei Pubertätsblockern oder gegengeschlechtlichen Hormongaben. Hingegen sei eine psychologische Beratung sinnvoll und zuvorderst notwendig.
Trotz der fehlenden Evidenz und all der Risiken raten nicht nur Ärzte, sondern auch Politiker immer wieder zu diesen Therapien. So etwa das deutsche Familienministerium in seinen Beratungseinrichtungen. Der politische Wille werde somit höher gewertet als die wissenschaftliche Einsicht, kritisiert Hormonspezialist Johannes Huber. Und dann stelle sich noch die Frage, wer letztlich die Verantwortung für all dies trage: „Ist es die Medizin? Ist es die Politik?“ Letztlich habe es der Arzt zu verantworten, der die Medikamente verschreibe.
Zum Weiterlesen:
Alexander Korte, Hinter dem Regenbogen. Entwicklungspsychiatrische, sexual- und kulturwissenschaftliche Überlegungen zur Genderdebatte und zum Phänomen der Geschlechtsdystrophie bei Minderjährigen. Stuttgart 2024.
Independent review of gender identity services for children and young people: Final report. April 2024. (s. The Guardian)
Nature
British Medical Journal
The Guardian
NZZ 13.10.2022
Deutsches Ärzteblatt 11/2024
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