
Österreich in der Krise
Budgetdefizit und Arbeitslosigkeit sind hoch. Wenige Tage nach der Nationalratswahl erfahren die Österreicher, dass ihr Land in der schlimmsten Wirtschaftskrise seit 1945 steckt. Wie kommen wir da wieder raus? Die Rezepte der Wirtschaftsexperten sind unterschiedlich.
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Ende September verglich die EZB-Präsidentin Christine Lagarde in einer Rede vor dem Internationalen Währungsfonds unsere heutige Situation in Europa mit jener nach dem Ersten Weltkrieg: Damals verhalfen die Große Depression in den USA, die hohe Inflation, die folgende Weltwirtschaftskrise und die hohe Arbeitslosigkeit zum Aufstieg der Nationalsozialisten. Wie nach dem Ersten Weltkrieg wendet sich die Welt ab von der Globalisierung und damit der Arbeitsteilung und praktiziert einen zunehmenden Protektionismus.
Hinzu kommen Europas Sanktionen gegen Russland und der Verzicht auf das billige, russische Gas, das nicht so sehr Russland, sondern vor allem Europa, vornehmlich der Industrienation Deutschland, geschadet haben. Vor allem wegen des vier Mal teureren Fracking-Gases LNG aus den USA wandern laufend Industrien aus Europa, insbesondere aus Deutschland – zumeist in die USA – ab. Durch die steigenden Energiepreise sind sie nicht mehr wettbewerbsfähig.
Deutschland befindet sich das zweite Jahr in einer Rezession. Die Wirtschaft schrumpft um 0,2 Prozent. Das Institut der Deutschen Wirtschaft (IW) nennt als Gründe „die Kriege in der Ukraine und im Nahen Osten, die den Welthandel belasten“, auf den Deutschland so dringend angewiesen sei. Diese Unsicherheit wirkt sich auch auf nahezu ausbleibende Investitionen in der Privatwirtschaft aus und auf einen Rückgang der Ausrüstungsinvestitionen. „Der Standort fällt immer weiter zurück", heißt es seitens der IW.
Angstsparen
Obwohl die Löhne hoch und die Inflation jetzt wieder niedrig sind, sparen die durch die Kriege in der Ukraine und im Nahen Osten verunsicherten Verbraucher lieber, als das Geld auszugeben. Ohne Konsum keine Aufträge für die Unternehmen, wenig Beschäftigung und wenig Wachstum. Jeder sechste Befragte gibt an, dass der eigene Arbeitsplatz unsicherer geworden ist. Befristete Arbeitsverträge sind auch nach der Corona-Pandemie traurige Realität bei deutschen Beschäftigten. Besonders junge Leute sind betroffen. Fast jeder zweite Beschäftigte in Deutschland ist nur noch befristet angestellt. Deshalb bleibt auch der Konsum, ein wichtiger Wachstumsimpuls, schwach. Obwohl die Löhne hoch und die Inflation wieder niedrig sind. Verunsicherte Konsumenten neigen eher zum „Angstsparen“.
John Maynard Keynes prägte 1936 den Begriff der "Animal Spirits". Der Begriff kommt vom lateinischen "spiritus animalis": "Der Atem, der den menschlichen Geist erweckt." Damit meinte Keynes, dass Emotionen, wie etwa das Gefühl der Sicherheit oder Unsicherheit, finanzielle Entscheidungen beeinflussen können.
Wer Sorgen hat, der spart eher, als Geld auszugeben. In Deutschland liegt die Sparquote mit rund zehn Prozent über jener des gesamten Euroraums. Das drückt das Wachstum, denn der private Konsum macht über die Hälfte des Wachstums aus.
Aber auch in Österreich wird derzeit viel gespart und wenig konsumiert. Die Sparquote ist mit 11,1 Prozent sogar noch höher als in Deutschland. Wenn Deutschland hustet, bekommt Österreich - wegen der hohen wirtschaftlichen Verflechtung - Grippe. "Österreichs Wirtschaft", so der Direktor des Wirtschaftsforschungsinstituts (WIFO), Gabriel Felbermayr, "steckt fest in der Rezession".
Österreich - längste Rezession seit 1945
In diesem Jahr wird das Bruttoinlandsprodukt um 0,6 Prozent weiter schrumpfen, nachdem es bereits im letzten Jahr um einen Prozent gefallen ist. „Damit haben wir die längste Rezession seit 1945“, so Felbermayer. Es gibt weniger Aufträge in der Industrie, es wird weniger gebaut und die Arbeitslosigkeit steigt weiter. Dieses Jahr beträgt sie 6,4 Prozent, nächstes Jahr laut Prognose sieben und 2025 gar 7,2 Prozent!
Im Monat September waren knapp 300.000 Menschen beim Arbeitsmarktservice AMS als arbeitslos gemeldet. Weitere 75.000 nahmen an Schulungen teil. Der wissenschaftliche Direktor des IHS, Holger Bonin, sieht damit Österreich mit der roten Konjunktur-Laterne vorangehen – als Schlusslicht in Europa!
Corona-Politik riss tiefes Loch ins Budget
Für die hohe Verschuldung in Österreich gibt es viele Ursachen. Eine davon ist Corona. Die „Koste es, was es wolle“ - Politik des damaligen Kanzlers, Sebastian Kurz und seines Finanzministers, Gernot Blümel, hat ein tiefes Loch in Höhe von 175 Milliarden in die Budgets der letzten Jahre gerissen. „Corona war schlimmer als die Finanzkrise 2008. Jene hat uns 11 Milliarden Euro gekostet.“ Mit diesen Worten bestätigte der bisherige Vizekanzler, Werner Kogler, das gigantische Budget-Loch. Über Sinnhaftigkeit und manche Irrationalität der Corona-Maßnahmen wird jedoch bis heute nicht diskutiert. Ein Bericht der Vereinten Nationen bestätigte, dass sich der Hunger in der Welt dramatisch verschlimmert hat. Ein Großteil durch die Covid 19 Maßnahmen. Überzogene Coronamaßnahmen hätten weltweit enormen Schaden angerichtet. Arbeitslosigkeit, Unterernährung, Bildungsdefizite, unterbrochene Lieferketten etc. Dazu kommen noch psychische Schäden, besonders bei Kindern und Jugendlichen.
2020 war noch ein Nulldefizit geplant
Von einem Nulldefizit ist Österreich nun sehr weit entfernt, obwohl ein Nulldefizit allein kein Qualitätsmerkmal ist: Wichtig ist, was der Staat mit den aufgenommenen Schulden macht: Ob er damit für Investitionen, Schulen, Forschungseinrichtungen und Infrastruktur sorgt und somit die Grundlage für weiteren Wohlstand schafft. Der Bund gibt dieses Jahr für bloß drei Ausgabenposten 25 Milliarden ausgibt, nämlich für die Pensionsversicherung, Beamtenpensionen und Zinsen - das sind fast 59 Prozent der gesamten Einnahmen des Bundes!
Keine sinnvolle Option wäre es, die Klimaziele nicht einzuhalten, denn dann müsste man 2030 einen Betrag in Höhe von fünf Milliarden Euro für den Kauf von CO2 Zertifikaten ausgeben. Ein sehr hoher Betrag, der den Spielraum für wachstumsfördernde Maßnahmen oder ganz allgemein investitionsfördernde Maßnahmen erheblich einschränken würde
Da das prognostizierte Budgetdefizit für dieses Jahr liegt bei 3,7 Prozent - also deutlich höher als die in Maastricht beschlossene Schuldengrenze von 3 Prozent – fordern der Präsident des Fiskalrates, Christoph Badelt, gemeinsam mit Margit Schratzenstaller vom Wifo, nun „System-Reformen“. Badelt plädierte für die Abschaffung des zentralen grünen Projekts „Klimabonus“, der fast 2 Milliarden verschlinge. Schratzenstaller hingegen plädierte für eine „zielgerichtete Ausgestaltung“ des Klimabonus, also nur für schwächere Einkommen.
Auch Steuererhöhungen bei der Grund-, Mineral-, Tabak- und Alkoholsteuer, ja sogar eine Zuckersteuer können überlegt werden, so Badelt und Schratzenstaller. Um die Maastricht-Grenze von drei Prozent Budgetdefizit wieder zu erreichen, müssten jedes Jahr 2,5 Milliarden Euro eingespart werden. Da fehle jedoch das Geld für zukunftsorientierte Investitionen oder für die Bewältigung etwaiger weiterer Krisen.
"Sparpaket nicht sinnvoll"
Kurt Bayer, der langjährige Wirtschaftsexperte im Wirtschaftsforschungsinstitut Wifo, hält nichts von einem Sparpaket. Das würde die Rezession nur vertiefen. Wenn der Konsum, also die private Nachfrage zu niedrig sei, dann müsse der Staat die Nachfrage erhöhen. Dennoch plädiert auch Kurt Bayer für eine Neustrukturierung der öffentlichen Ausgaben und Einnahmen. Mit der Summe der Kreditaufnahmen des Staates (Schuldenquote) würden ja auch Vermögenswerte wie Krankenhäuser, Schulen, Straßen, Eisenbahnen, Telekom-Netzwerke etc. geschaffen, argumentiert Bayer. Und damit würden künftiges Wachstum und Wohlfahrt ermöglicht.
Freilich könnten die Zinsen ein Problem für die Staatsschuld darstellen. Dieses Jahr betragen die Zinsen etwa 6,7 Milliarden Euro, also 1,3 Prozent des BIP. 2010 waren es 9 Milliarden Euro, also 2,5 Prozent des Bruttoinlandsprodukts. In früheren Jahren sogar deutlich höher. Deshalb, so Bayer, sei derzeit die Zinsenlast kein ernsthaftes Problem für Österreich. Mit einem Sparpaket die Konjunktur abzuwürgen, jedoch schon.