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Junge Frau betend und knieend in einer Kirche
© Bild:123RF Bildagentur; Nanobey.

Der Schleier fiel von ihren Augen

Der lange Weg einer Frau vom Iran nach Europa – viel Angst, Tränen, Hoffnung und die wundersame Geschichte einer Bekehrung.

Gudula Walterskirchen | Gesellschaft | 20. Dezember 2024

Magdalena war neun Jahre alt, als 1979 im Iran die islamische Revolution unter Anführer Ayatollah Khomeini stattfand und der Schah gestürzt wurde. Ab diesem Alter müssen sich Mädchen im islamischen Glauben den religiösen Gesetzen unterwerfen. Durch die Islamische Revolution hatte sich für die Frauen alles geändert, erzählt Magdalena. Auch für sie selbst. Ab diesem Moment mussten alle Frauen in der Öffentlichkeit einen Hijab (Ganzkörperschleier, Anm.) tragen. Nach der Revolution gab es eine Zeit der „Säuberungen“, alles war geschlossen. Es wurden Schulbücher und Lehrbücher verbrannt, Universitätslehrer verhaftet oder hingerichtet. Magdalenas Schule war vier Monate lang geschlossen. Als die Kinder dann wieder zur Schule gingen, hatten sie andere, regimetreue, und keine ausgebildeten Lehrer mehr. Sie erinnert sich, dass sie und ihre Mitschülerinnen heimlich weinten, als sie gehört hatten, dass ihre frühere Lehrerin hingerichtet worden war.

Die Mädchen mussten Kopftuch tragen und ihre Mutter musste für sie einen langen Mantel nähen. Magdalena war das letzte Kind, das noch kein Kopftuch trug. Ihre neue Lehrerin sagte dann zu ihr: „Entweder du trägst ab morgen ein Kopftuch oder du darfst nicht mehr zur Schule kommen.“

Die Geschlechtertrennung war extrem, berichtet sie, auch in der Schule. Viele Frauen verloren ihren Job, und jene, die in hohen Positionen waren, wurden entweder festgenommen, hingerichtet oder sind geflüchtet. Mädchen und junge Frauen hatten immer Angst, auf die Straße zu gehen. Es konnte vieles passieren, es war sehr gefährlich, denn gleich nach der Revolution wurde die „Sittenpolizei“ eingeführt. Das war keine normale Polizei, erzählt sie, sondern radikale Islamisten, die streng darauf achteten, dass die Scharia eingehalten wurde. Damals wie heute war es üblich, dass junge Frauen ohne Anlass festgenommen wurden. „Man wollte uns einfach Angst machen durch diese Willkür.“

Angst vor Entführung

Im Jahr 1993, erwachsen geworden, gelang Magdalena, gemeinsam mit ihrem Mann und zwei Töchter, die Ausreise. Sie und ihre Familie waren ins Fadenkreuz des Mullah-Regimes gelangt. „Mein Schwager und seine Freunde waren damals in Teheran Zeugen, als die Sittenpolizei mehrere Mädchen aus der Nachbarschaft entführen wollte.“ Die Männer hatten die Frauen geschützt und die Entführung verhindert. Doch dadurch bekamen sie Probleme mit dem Regime. Magdalenas Schwager wurde verhaftet, die Familie hatte Angst um sein Leben. „Es war damals üblich, dass täglich im Fernsehen die Namen der Hingerichteten verlesen wurden. Dann haben wir erfahren, dass er nicht getötet wurde, mein Schwiegervater konnte ihn freibekommen.“ Im Iran gibt es jedoch die Sippenhaftung, daher wurde das Elternhaus, in dem die Großfamilie wohnte, von da an oft von der Polizei durchsucht. „Zuletzt hätten sie fast unsere sechsjährige Tochter mitgenommen. Da haben wir uns entschieden, das Land zu verlassen. Wir wollten nach Europa oder sonst wohin, nur nicht in ein islamisches Land.“

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