Zum Hauptinhalt springen
Mann und Frau in gleicher Kleidung karierte Hemden
© Bild:123RF Bildagentur; Dmitry Ageev

Gibt es mehr als zwei Geschlechter?

Bei der Diskussion um Geschlechtervielfalt werden biologische Tatsachen gern ignoriert. Doch Biologie, Medizin und auch Theologie sind sich einig: Es gibt nur zwei Geschlechter. Im Hinblick auf die Evolution ist dies durchaus sinnvoll.

Gudula Walterskirchen | Gesellschaft | 04. Oktober 2024

Artikel als Audio anhören

Es ist eine Selbstverständlichkeit – zumindest dachte man dies bis vor wenigen Jahren – die heute für heftige Kontroversen sorgt: Dass es nur zwei Geschlechter gibt, also männlich und weiblich. Doch seit etlichen Jahren wird diese Tatsache infrage gestellt, ja abgelehnt. Man müsse respektieren, dass es mehr Geschlechter gäbe. Dies nicht zu akzeptieren, sei ein Akt von Intoleranz und überdies inhuman.

Zuletzt empörte sich die veröffentlichte Meinung wieder einmal über den Papst. Er hatte sich bei seinem jüngsten Pastoralbesuch in Belgien über Frauen und die Mütterlichkeit geäußert: „Die Frau ist fruchtbare Aufnahme, Fürsorge, lebendige Hingabe“, meinte er.

Was für die Frau charakteristisch ist, was weiblich ist, wird nicht durch Konsens oder Ideologien festgelegt. Und auch sonst ließ er keinen Zweifel daran, dass es genau zwei biologische Geschlechter gibt, die sich in mehrfacher Hinsicht unterscheiden.

 

Diese Position kann nicht überraschen: Ein katholischer Würdenträger, der oberster Verteidiger des Glaubens und der Glaubenslehre ist, die auf der Bibel fußt, in der im Kapitel Genesis steht: „Gott schuf den Menschen, als Mann und Frau schuf er ihn.“

Und dennoch war die Empörung groß. Kommentatorinnen in diversen Medien kritisierten den Papst heftig. Diese Definition von Frau sei einengend, da sie die emanzipatorischen und geistigen Leistungen nicht zur Kenntnis nehme, war noch eine der freundlicheren Reaktionen.

Sogar die katholische Universität in Löwen, wo der Papst diese Aussagen getätigt hatte, brachte ihr „Unverständnis und Missfallen“ über die Haltung des Kirchenoberhaupts zum Ausdruck. Alle Menschen sollten sich an der Universität und in Gesellschaft entfalten können, unabhängig von ihrer Herkunft, geschlechtlicher Identität oder sexueller Orientierung, betonte die Universitätsleitung.

Der österreichische Reproduktionsmediziner und Theologe Johannes Huber sprang dem Papst gegen die öffentliche Kritik bei. In der Fachzeitschrift „Nature Neuroscience“ plädierte er für mehr Vernunft in der Genderdebatte. „Die Forschung gibt dem Papst recht“, meinte er in Bezug auf die „Mütterlichkeit“ und die biologischen und neuronalen Veränderungen von Frauen – und nur von Frauen – während der Schwangerschaft.

Gender und Sex vermischt

Doch in der Debatte haben derzeit jene die Deutungshoheit, die für „Geschlechtervielfalt“ eintreten und jeden Hinweis auf die Biologie abtun. Somit werden das soziale Geschlecht (gender) und das biologische Geschlecht (sex) meist vermischt. Doch auch das biologische Geschlecht wird infrage gestellt und in das Ideengebäude einer beliebigen Geschlechteridentität gepresst. Dies führt zu seltsamen Ausformungen. In den USA kann man zwischen Dutzenden Geschlechtern wählen. Und in Deutschland kann man jedes Jahr sein biologisches Geschlecht gesetzlich ändern. Dies hat allerdings schon zu einigen Problemen in der Praxis geführt, an die man nicht gedacht hatte. Wenn nämlich etwa ein männlicher Sexualstraftäter sich als Frau definiert und dann ins Frauengefängnis verlegt wird. Die Reihe der absurd anmutenden Beispiele ließe sich beliebig verlängern.

Es ist auffallend, dass sich immer mehr Menschen als „non-binär“ bezeichnen, also keinem der Geschlechter zugehörig. Vor allem junge Menschen in labilen Lebensphasen sind anfällig dafür, die Zahl der Betroffenen steigt stark.

Anomalien bei Chromosomen

Von Verteidigern der beliebigen Geschlechtlichkeit wird gerne die angebliche biologische Vielfalt der Geschlechter ins Treffen geführt. Etwa jene (seltenen) Fälle, in denen weibliche und männliche sekundäre Geschlechtsmerkmale ausgeprägt oder nicht vorhanden sind oder nicht zu den Geschlechtschromosomen passen. Ein jüngstes Beispiel war jener Boxer, der bei der Olympiade bei den Frauen antreten durfte, obwohl er Y-Chromosomen aufwies, jedoch keine männlichen sekundären Geschlechtsmerkmale. Wenig überraschend gewann er, von Körperbau und Muskelmasse eindeutig männlich, den ersten Platz. Die Diskussion, ob dies den Wettkampf-Regeln entspricht, wurde sofort zu einer Diskussion über Diskriminierung.

Auch in Österreich ist der Trend angekommen. Es war ausgerechnet die konservative christlich-soziale Volkspartei, die im September 2024 einem Gesetz zustimmte, in dem ein „drittes“ biologisches Geschlecht berücksichtigt ist. Die Aufregung war groß.

"Schwachsinnige Diskussion"

Der Biologe und Anthropologe Martin Fieder, Professor an der Universität Wien, schrieb dazu auf X: „Jetzt fängt auch bei uns die schwachsinnige Diskussion an. Wenn das so ist, wie man den Beschlusstext verstehen kann, dann verstehe ich die Volkspartei und (Bundeskanzler, Anm.) Karl Nehammer nicht mehr. Nehammer meinte vor ein paar Monaten völlig richtig, es gibt nur zwei Geschlechter: Mann und Frau. Warum der Sinneswandel? Irgendwelche Lobbyisten?“

Nicht nur für Biologen, auch für Mediziner ist die Frage, ob es mehr als zwei biologische Geschlechter gibt, völlig abwegig. Und dies aus mehreren Gründen:

Zum einen gibt es nur zwei Arten von Chromosomen: X und Y. Beim weiblichen Geschlecht ist bekanntlich der Chromosomensatz XX, beim männlichen XY entscheidend, ob ein Fötus männlich oder weiblich ist. Darüber hinaus gibt es Anomalien, wenn etwa ein Geschlechtschromosom fehlt (Monosomie) oder ein zusätzliches vorhanden ist (Duplikation). Es gibt auch Fälle, in denen ein Teil eines Geschlechtschromosoms fehlt.

Bei erwähntem Boxer wurden zwar kein sekundäres männliches Geschlechtsmerkmal, dafür aber Y-Chromosomen im Blut identifiziert, und die gibt es eben nur beim männlichen Geschlecht. Bei all diesen Anomalien bleibt eine Tatsache bestehen: Egal ob Monosomie, Duplikation oder sonst eine Ausprägung: Es gibt nur zwei Geschlechtschromosome, nämlich X und Y, und diese bestimmen das biologische Geschlecht.

Würde und Identität

In dieser Diskussion geht es nur um Geschlechtlichkeit und Geschlechtsmerkmale, aber nicht um personale Würde und Identität, die damit untrennbar verbunden sind. „Die Würde wird durch ein ursprüngliches Gesetz gesichert, das nicht auf Papier geschrieben, sondern ist dem Leib eingeschrieben“, sagte der Papst in Belgien. Es sei hässlich, wenn sich die Frau zum Mann machen wolle. Auch diesen Hinweis nahm man dem Papst übel.

Im Leib ist nicht nur theologisch, sondern auch biologisch in der gesamten menschlichen Evolution alles eindeutig festgelegt. Mediziner können im Detail erklären, warum die Sexualität und die Reduktion auf zwei Geschlechter für die Entwicklung eines hochkomplexen Lebewesens wie dem Menschen entscheidend war:

Die ursprüngliche und biologisch älteste Form der Reproduktion ist die „Mitose“. Dabei wird ein identisches Duplikat des Erbgutes angefertigt. Eine Weiterentwicklung ist nur auf zwei Wegen möglich: Entweder spontane Mutationen, die zu ungezielten Erbgutänderungen und damit zu Organismen mit neuen Erbinformationen führen, oder Abschreibfehler der Replikase. Die Replikase ist jenes Enzym, das den DNA- bzw. RNA-Strang dupliziert.

Vater und Mutter als Vorteil

Wenn ein Organismus schon gut entwickelt und gut an die Umwelt angepasst ist, so ist die Chance, dass eine zufällige, ungezielte Erbgutveränderung positive Auswirkungen hat, gering. Und zwar umso geringer, je höher der Entwicklungsgrad des Organismus ist. Das ist auch der Grund dafür, warum Mutanten, die auf solchen Wegen entstehen, nur in Ausnahmefällen überlebensfähig sind.

Und genau an dieser Stelle kommt die Sexualität ins Spiel. Bei der „Meiose“ (die es nur bei der geschlechtlichen Vermehrung gibt) wird genetisches Material zwischen dem väterlichen und dem mütterlichen Chromosom ausgetauscht, was zur Entstehung neuer Individuen führt. Der wesentliche Unterschied zur Mitose ist aber, dass dies gezielt erfolgt. Auf diese Art und Weise ist eine Weiterentwicklung viel schneller und effektiver möglich. Das ist auch der Grund dafür, warum sich die sexuelle Vermehrung in der Evolution durchgesetzt und bewährt hat. Bakterien, die auf Mitosen angewiesen sind, können zwar massenhaft Nachkommen bilden, diese werden aber kaum Intelligenz ausbilden, die etwa eine Relativitätstheorie entwickeln könnte. 

Genau deswegen gibt es zwei Geschlechter und nicht fünf oder 25.

Zum Weiterlesen:

Abigail Favale, Die geleugnete Natur. Warum die Gender-Theorie in die Irre führt. München 2024.

Doris Bischof-Köhler: Von Natur aus anders. Die Psychologie der Geschlechtsunterschiede, 5. Auflage, Kohlhammer 2022

Gudula Walterskirchen

Herausgeberin Libratus

Artikel als Audio anhören

Artikel weiterempfehlen

Artikel drucken

Unbegrenzter Zugang zu allen Inhalten

Gratis Testabo für 4 Wochen
Ein Monatabo oder das
günstigere Jahresabo

Sie sind bereits Libratus-Abonnent?
Melden Sie sich hier an: