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Rot-weiß-rote Farben auf Brust eines Mannes im Anzug
© Bild:123RF Bildagentur; Alexander Makarov.

Verfassung mit Webfehlern

Die Schwachstellen unserer Verfassung werden aktuell besonders deutlich. Die Parteiendemokratie vertritt nicht unbedingt den Wählerwillen, es gäbe bessere Alternativen. Der Bundespräsident hat zu weitreichende Befugnisse, besonders bei der Regierungsbildung. Eine Reparatur tut Not.

Wilhelm Brauneder | Kommentar | 21. März 2025

Auch mit einem halb ramponierten Fahrrad kann man fahren: bergab schieben, weil die Bremsen defekt sind; Nachtfahrten meiden, weil die Lichtanlage nicht funktioniert; im Regen langsam fahren, weil Kotflügel nur mehr Fragmente sind. Wer aber die Schäden nicht kennt und drauflos fährt, wird stürzen.

Nicht anders bei politischem Agieren in Unkenntnis der Struktur einer Verfassung wie der Usancen, um ihren Problemen auszuweichen. Solange ihre Benützer die problematischen Stellen kennen, geht’s gut, nicht aber bei deren Unkenntnis oder einem leichtfertigen Experimentieren. Und dies haben wir seit der letzten Nationalratswahl drastisch vorgeführt bekommen. Mehrere Schwachstellen wurden überdeutlich ins Bewusstsein gerückt mit dem Ergebnis, dass der Bundeskanzler aus einer Partei kommt, die eindeutiger Wahlverlierer ist, dass ebenso der Vizekanzler einer Wahlverlierer-Partei entstammt, dass beide Wahlverlierer die überwiegende Mehrheit der Minister und Staatssekretäre stellen, und dies noch dazu unter Heranziehung einer Kleinstpartei.

Ohrfeige für die Demokratie

Insgesamt: ein Ohrfeigenhagel gegen die Grundgedanken der repräsentativen Demokratie. Und dies ist keineswegs eine theoretische Spintisiererei. Fast drei Viertel des Wahlvolks betrachten nach Wählerumfragen die Regierung mit Skepsis, um es milde auszudrücken. Eine tatsächlich schöne Übereinstimmung von demokratischer Theorie und demokratischem Praxisempfinden – und beides im Gegensatz zur Politpraxis der erlebten Regierungsbildung.

Wie konnte es dazu kommen? Aufgrund der titelgebenden Webfehler der Verfassung – wohl sogar mehr als einem – im Zusammenwirken mit dem Agieren der Parteipolitiker mit ihrer Parteipolitik-Sichtweise unter den Auspizien des Bundespräsidenten. Denn dieser in seiner derzeitigen Ausgestaltung ist wohl ein weiterer Webfehler der Verfassung.

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