Skip to main content
Feldmesse Weltjugendtag 2023 in Lissabon mit Kreuz
Feldmesse beim Weltjugendtag 2023 in Lissabon. © Commons Wikimedia; spanische Bischofskonferenz

Christen - Selbstbewusst gegen Schmähungen

Das Christentum ist zunehmend in Bedrängnis – auch im angeblich christlichen Abendland. Kirche ist mehr als ein Verwaltungsapparat für Moralfragen. Kirche muss auch Verteidigerin des Glaubens und dem sein, was ihm heilig ist. Ein Plädoyer für ein selbstbewusstes Christsein.

Gudrun Trausmuth | Kommentar | 27. September 2024

Die christliche Botschaft besagt etwas Ungeheuerliches: Gott wurde Mensch, trat in die Historie ein, wurde für die Menschen gekreuzigt und hat in seiner Auferstehung den Tod besiegt. Ein Gott, der uns liebt und der ein Menschenantlitz hat. Tragisch, dass diese größte Erzählung der Geschichte durch das fortdauernde Missverständnis, die Kirche verwalte gleichsam bloß den Katalog eines moralisch einwandfreien Lebens, ihrer Spannung beraubt wurde.

Ohne jemand Unrecht tun zu wollen: Vielfach wissen die auf Christus Getauften heute gar nicht, was ihr „Christsein“ inhaltlich bedeutet. In faktischem, aber nicht wahrgenommenen Gegensatz dazu, gilt aber das Christliche doch immer noch als das wenig prickelnde Bekannte und wird für das persönliche Leben als relativ irrelevant empfunden.

Aber auch ein massives innerkirchliches Lobbying in Richtung Strukturreformen, das aktuell vor allem von Teilen der katholischen Kirche in Deutschland betrieben wird, schafft wohl keine neue christliche Lebendigkeit. Es vermittelt eher das Bild einer Institution, die mit dem ihr eigenen Wahrheits- und Autoritätsanspruch nicht mehr zurechtkommt und manisch mit sich selbst beschäftigt ist. Hellsichtig fasste Josef Ratzinger in der Predigt vom 18. April 2005, vor dem Einzug ins Konklave, aus dem er als Papst Benedikt XVI. hervorgehen sollte, die zentrale Herausforderung des Christentums heute zusammen: „Einen klaren Glauben nach dem Credo der Kirche zu haben, wird oft als Fundamentalismus abgestempelt (…). Es entsteht eine Diktatur des Relativismus, die nichts als endgültig anerkennt und als letztes Maß nur das eigene Ich und seine Gelüste gelten läßt.“

Zunehmend heftige Angriffe

Neben einer gleichsam passiven Schwächung des Christentums – kulturhistorisch im 20. Jahrhundert natürlich entscheidend vorangetrieben durch die 68er Bewegung - gibt es von anderer Seite zunehmend heftige Angriffe, die sich ganz konkret gegen den christlichen Glauben und die Kirche richten. Ein paar Beispiele aus den letzten Monaten: Während der Wiener Festwochen bearbeitete die österreichische Performance-Künstlerin Florentina Holzinger „mit einem Ensemble von Opernsängerinnen, Sexarbeiterinnen und Body-Modification-Artists die Zurichtung weiblicher Identität und Körper in religiösen Systemen und Riten“. Gerahmt von einer Persiflage der heiligen Messe – die Bühne als Altarraum gestaltet – wurde mit Nonnen, nackten Frauen, Blut und Sex Paul Hindemiths Oper „Sancta Susanna“ von 1922 in Richtung einer blasphemischen Orgie uminterpretiert, in der sich auf grell leuchtenden Kreuzesbalken zwei der Proponentinnen vereinigen. Was war die Reaktion auf die, ausführlich in Fernsehen und Radio wiedergegebene und wohlwollend besprochene, Aufführung? – Nun, typischerweise passierte da nicht allzu viel.  Nachdem  der Wiener Dogmatiker Jan-Heiner Tück mit einer treffsicheren Analyse voranging, folgte eine vergleichsweise milde Distanzierungen durch einzelne Bischöfe, die von „mangelndem Respekt“ dem Glauben gegenüber sprachen. Also eine Fortsetzung der mittlerweile bekannten, von vielen Gläubigen als frustrierend empfundenen Haltung der Deeskalation und Depression.

Man kann auch fragen: Schlägt das Argument der „Freiheit der Kunst“ jetzt endgültig jenes der „Verletzung religiöser Gefühle“?  Und: Wie würde – und der Bogen zur Satirezeitschrift Charlie Hebdo und den Mohammed-Karikaturen sei hier ganz ausdrücklich gespannt – wohl die Reaktion auf eine vergleichbar blasphemische Performance aussehen, die sich auf den Islam bezieht?

Herabwürdigung Mariens

Ebenfalls provokant und gänzlich fehl am Platz war die Ausstellung einer Skulptur der gebärenden Maria im Linzer Dom. „Crowning“ hieß das Werk von Esther Strauß – und zeigte die heilige Jungfrau Maria mit geöffnetem Schoß und dem heraustretenden Köpfchen des Kindes. Verunsicherung war spürbar, der vielgeschmähte „gesunde Menschenverstand“ empfand das Ungehörige und die Grenzüberschreitung. Denn, keine Frau, sie müsste nicht einmal im Stand der Heiligkeit stehen, würde ein derartiges Bild der eigenen Geburt veröffentlicht sehen wollen, sondern dies als Verletzung der Intimsphäre und als Herabwürdigung empfinden.

Ob es die Intention der Bildhauerin gewesen war, das Dogma der Jungfräulichkeit Mariens anzugreifen, ist nicht der springende Punkt. Dass das Dogma aber qua Darstellung sehr wohl angegriffen wurde, steht für viele Gläubige außer Frage. Doch dann sägte ein Unbekannter der dargestellten gebärenden Maria den Kopf ab! – Und plötzlich diskutierte keiner mehr grundsätzlich über Kunst und Blasphemie, sondern nur noch über das Sakrileg des Anonymus. Dieser war seinerseits in die Falle des „Gewaltsamen“ gegangen, noch dazu hat er durch die Verlagerung der Debatte den Linzer Bischof und die anderen Verantwortlichen vom Rechtfertigungsdruck in Bezug auf die empörende Darstellung Mariens befreit.

Symptomatisch für das aktuelle Verhältnis Europas zum Christentum war auch ein Aspekt der Olympischen Sommerspiele in Paris. Das Eröffnungsevent war im Großen beeindruckend – und im Einzelnen blasphemisch: Entgegen allen Umdeutungen, die von einer bacchantischen Szenerie sprachen, war völlig klar, dass Proponenten des Transgender-Kults Leonardos „Letztes Abendmahl“ nachgestellten. Das posteten übrigens auch die Mitwirkenden deutlich auf den Social-Media-Kanälen. Auf einer der Seine-Brücken wurden wie in einer Art „Tableau vivant“ auch Kinder neben entblößten Darstellern eingesetzt! Was sich auch hier bestätigte: Die Systematik von unverhohlenem Angriff auf das, was vielen Menschen heilig ist und in der Folge das Wegducken und Uminterpretieren der Verantwortlichen - im Falle von Olympia durch Regisseur Thomas Jolly.

Schüsse auf Maria mit Jesuskind

Besonders schockierend war jüngst die Aktion von Sanija Ameti, einer Schweizer Politikerin der liberalen Grünen. Ameti, deren Familie aus Bosnien kommt und muslimische Wurzeln hat, missbrauchte ein Bild der Madonna mit Kind, im Original aus dem 14. Jahrhundert von Tommaso de Mazza, für Schießübungen. Fotos von sich selbst mit Waffe und der von Kugeln durchlöcherten Darstellung verbreitete die Politikerin via Instagram. Der Schweizer Publizist Stefan Millius brachte es auf den Punkt: „Gegen Christen geht immer“, und: „So gesehen hat die Politikerin nur einen schon länger laufenden Vorgang in ein plakatives Bild gestellt. Man kann auf christliche Werte schießen, man kann sich über das Christentum lustig machen.“ Immerhin schien in diesem Fall die Attacke zu arg, die Dreistheit zu groß und die Entschuldigung der für provokante Aktionen bekannten Ameti zu fadenscheinig-naiv:  die 32jährige verlor ihren Job und musste aus der Leitung der Züricher GLP zurücktreten. 

Lanciert von Jan Ledóchowski, Vorsitzender der Plattform Christdemokratie, gibt es in Wien seit kurzem eine Meldestelle für Diskriminierung gegen Christen. Das ist ein erstes, wichtiges Signal, gleichsam die institutionalisierte Aufforderung, entsprechende Beleidigungen und Attacken öffentlich zu machen und nicht länger einfach hinzunehmen. Denn auch wenn es nur langsam sickert: Christen sind nicht nur weltweit die am meisten verfolgte Religionsgemeinschaft. Längst sind die Christen auch in den westlichen Gesellschaften nicht mehr die dominierende Mehrheit, sondern eine belästigte und bedrängte Minderheit. Dringend muss jeglicher Art von Übergriffigkeit und Gewalt eine Grenze gesetzt werden. Denn, es geht es nicht mehr „nur“ um Verspottung im Framing der Kunst, es geht zunehmend auch um geschändete und brennende Kirchen und um Tatbestände wie die Ermordung von Priestern am Altar. 

Neubesinnung auf Wurzeln

Parallel zur Dokumentation und Öffentlichmachung von Vorfällen, wird es eine selbstbewusste Neubesinnung auf unsere abendländischen, jüdisch-christlichen Wurzeln geben müssen. Wer sind wir als Christen in Europa? – Diese Frage zu beantworten, bedeutet Arbeit auf denkerischer Ebene, auf sozialer, auf religiöser und gesellschaftspolitischer. Aber, wenn wir sie nicht klar und konturiert beantworten können, werden in absehbarer Zeit andere bestimmen, wer wir zu sein haben und wie wir leben. Denn unsere Identität ist nicht nur von innen her angefragt, sondern ganz konkret auch durch abertausende Migranten, die politisch-religiös völlig anders geprägt sind. Solange wir aber allen offensiven Herausforderungen gleichsam ängstlich-phlegmatisch-ignorant begegnen, bringt uns das nichts als (Selbst-)Verachtung ein.

Und ja, es ist auch fatal, aus falsch verstandener Toleranz christliche Traditionen fallenzulassen. Wenn etwa das Martinsfest in ein „Lichterfest“ verwandelt wird oder in manchen Kindergärten der „Nikolaus“ nicht mehr kommen darf, bestätigt das die Wehrlosigkeit und Schwäche einer dekadenten Gesellschaft.

Wachen wir auf, suchen wir die Schätze, die am Grunde unserer jüdisch-christlichen Kultur liegen, nehmen wir sie neu zur Kenntnis, studieren und polieren wir sie. Dann wird ihre Festigkeit uns stärken und ihr Glanz uns beleben!

Gudrun Trausmuth

Autorin bei Libratus

Artikel als Audio anhören

Unbegrenzter Zugang zu allen Inhalten

Gratis Testabo für 4 Wochen
Ein Monatabo oder das
günstigere Jahresabo

Sie sind bereits Libratus-Abonnent?
Melden Sie sich hier an: